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SEKRET

 

Wie immer bei Rätselhaftem, bei Angelegenheiten, die, weil sie vielleicht der Differenzierung benötigen, sich nicht auf die Schnelle, in einem Satz erfassen und einordnen lassen, geht auch hier das Gerücht um, HASENA sei wohl eine geheime Brüderschaft, eine Sekte. Da gebe es einen Guru (oder Schäfer oder gar Rattenfänger) namens Peter Trachsel und (zumeist als KünstlerInnen verkleidete) JüngerInnen, die er in seinen Bann gezogen habe, die ihm folgten und mit kostbaren Gaben huldigten.

Was war das denn da in Schaffhausen, letztes Jahr, diese seltsame Standarten-Prozession, bei der Ein-geweihte 2 bis 6 Meter lange, mit einem Kleidungsstücken beflaggte Holzstäbe durch’s „Stadtfest SH500“ getragen haben? Was ging da vor? Wer oder was zog da ein? Oder war’s eine Beschwörung? Eine Beschwörung, wachsam zu sein, sich eine der legendären Eigenschaften des Hasen anzueignen: mit offenen Augen zu schlafen? Eine Verschwörung? Eine Mahnwache? Frönten die HASENA-Leute einem alt-eidgenössischen Stoffkult, wurden die Tücher gar angebetet? Und wessen Kleidungsstücke waren das überhaupt, haftete Peter Trachsels Schweiss an ihnen?

Und was hat es mit diesem HASENA-Stempel auf sich, auf dem drei Hasen im Dreieck ausgelegt sind? Drei zu einem Dreieck vereinigte Hasen symbolisieren doch die Dreifaltigkeit Gottes! Aber halt, die Ohren der drei HASENA-Hasen berühren sich ja gar nicht: Ein geheimes Erkennungszeichen der Ketzer? Oder ist die Dreieinigkeit des Pythagoras – diesem weisen Haupt einer geistigen Bildungsschule, dessen AnhängerInnen ihm bis ins Exil folgten – im Spiel: Einheit, Gleichheit und Verbindung Eines (unum)?
Wenn sie sich die AnhängerInnen der HASENA auch nicht wie eine verfolgte Glaubensgemeinschaft ab-schotten, sondern ihr alljährliches HASENA-VERKEHRSMAHL in aller Oeffentlichkeit abhalten – sei dies auf dem Kunsthausplatz mitten in Zürich oder an direkt neben der meistbefahrenen Strasse Graubündens aufgestellten Tischen – , wer hat sich schon ein eigenes Bild darüber gemacht, was bei dieser Mahlzeit rituell eingenommen wird?! Und danach? Wirft sich die HASENA-Gefolgschaft in oder auf’s Fell, streut man sich Salz auf die Einfallspinsel und wird ausfällig?
Und was wird da im Geheimen (franz. secret: geheim, verborgen, Geheimnis) abgesondert (franz. sécrétion: flüssige Absonderung, Sekret)? Was FLIESST da bei oder zwischen den KUNSTVERKEHR-Teil-nehmerInnen? Werden Orgien gefeiert? Man weiss doch um die Geilheit und gewaltige Fruchtbarkeit der HASEN...A, wie Alpha? Wird bei HASENA etwas gezeugt? Was?
Behauptete nicht Herodot, der griechische Historiker aus dem 5. Jahrhundert v.Chr., dass sogar Hasen-Männchen trächtig würden? War der Hase nicht auch Synonym für Homosexualität in der Han-Dynastie? Im Buddhismus Sinnbild der Selbstaufgabe im Vertrauen auf das Erlösungswerk? Und stempelt in der christ-lichen Ikonographie die Wehrlosigkeit des Hasen ihn nicht zum Inbegriff des nur auf Gott vertrauenden Menschen? Repräsentierte er nicht in nordamerikanischen Indianermythen einen Kulturheros, der als Schöpfer die Welt in ihren gegenwärtigen Zustand transformierte, der als „Trickster“-Gestalt, durch seine Schlauheit und Schnelligkeit, grössere Tiere überlisten kann? Spricht nicht der indische Mythos von einem Hasen, der sich vor der Verfolgung durch einen Hund in den Mond flüchtet? Und sprechen nicht mehrere Mythen von der durch Vermittlung eines Tieres (z.B. Hase) dem Menschen überbrachten Mondbotschaft: „Wie ich sterbe und auferstehe, so wirst auch du sterben und ins Leben zurückkehren.“? – Wobei es auch Botschafter gibt, die genau das Gegenteil ausrichten, nämlich: dass der Mensch im Gegensatz zum Mond nicht wiederauferstehen werde, dass kein Fleisch um sie wachse am jüngsten Morgen, sie nichts mehr erinnerten, niemandem wieder begegneten, nichts ihrer warte, keine Seligkeit, keine Folter. Weshalb also nicht heute bewusst tun, was heute bewusst getan werden kann? Leben, beispielsweise.

Welche Botschaft verkündet HASENA? Ist sie oder Es ansteckend?

Es gebe Dinge, denen man ihr Geheimnis lassen müsse, die nicht ans grelle Licht der Aufklärung gezerrt werden sollten, sei Jacques Derrida einst entgegengehalten worden. Und in diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen Satz von Peter Trachsel, mit dem er seine persönliche künstlerische Arbeit einst beschrieben hat und den ich gerne im Original zitiert hätte: Sich still auf einen Stein setzen und horchen, ob er (der Stein) ihm (Peter [gr. pétros: Stein, Fels]) sein Geheimnis verrät. Vielleicht kann man’s auch mit HASENA so halten. Und auf der Reise durch’s Leben, die immer auch eine Reise ins eigene Innere ist.*

 

*) Diverse Passagen aus folgenden Quellen: Lexikon der Symbole, Archiv FU Berlin sowie Marie Luise Kaschnitz


 
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